1. Mai 2003, Wellen auf der Alb

Der 1. Mai schien laut Wetterbericht ein ganz normaler Flugtag zu werden - westliche Winde bei mäßiger bis guter Thermik, Wolkenbasis ansteigend.
Nun sind ein paar Fliegerkameraden aus unserem Verein nach Westen geflogen, vorbei an Münsingen und Engstingen. Nachdem es beim Schloß Lichtenstein ein wenig zäh wurde sind wir dann gemächlich weiter zur Burg Hohenzollern geflogen. Von dort ging 's nach Südwesten über Albstadt hinweg bis zum Plettenberg.
Weil hohe Wolken begonnen hatten die Sonne etwas zu verdecken (Abschirmung), haben wir uns entschlossen wieder heimwärts zu fliegen.
Durch den Rückenwind waren wir schnell wieder zu Hause. Dann kam die Idee auf, man könnte noch ein wenig Richtung Osten fliegen, die Thermik war ja noch gut.
Also erstmal bis Donzdorf, dann über Bartholomä und Aalen weiter bis ins Ries nach Nördlingen. Die anderen der Gruppe fliegen weiter in Richtung Weißenburg.

Unsereins hat sich entschieden umzukehren. Auf der Bord-Bord-Frequenz im Funk reden die Leute über eine Welle bei Geislingen?! Die meinen sicher Geisingen (bei Tuttlingen, am Rand des Schwarzwald), da kann es schon Wellen geben. Aber mitten auf der Schwäbischen Alb?
Nochmal in den Funk gehorcht - ein Einstieg sei bei Oberkochen?! Na, das liegt ja eh auf dem Weg - mal nachgucken! Und tatsächlich, kaum in Königsbronn angekommen, seh ich auch schon Segelflugzeuge sehr viel höher als ich - wow!
".. der Einstieg ist ca. 2 km westlich des neuen Zeiss-Werks ..", sagt jemand im Funk. Prima, das probier ich mal: Die Thermik ist turbulent und zerrissen, schwer zu zentrieren - das hatten wir den Tag über schon öfter. Nun gut, es geht nach oben.
Nach kurzer Zeit hatte ich die Untergrenze der Wolke erreicht, die sich über mir gebildet hatte. Dort hört normalerweise die Thermik auf. Doch an der Luvseite (in Windrichtung) steigt der Flieger weiter - hoppla! Die Luft ist plötzlich ganz ruhig - es wird ganz still um mich herum.
Das Variometer zeigt 4 m/s Steigen an, während ich der Wolke entlang fliege. Wie an einem Berghang geht es ganz sanft in die Höhe. Der Schatten des Kestrel huscht an der Wolke entlang. Prima, das ist eindeutig 'ne Welle!
Dann, in 2750 m (MSL), über der Wolke eine grandiose Aussicht, das Kloster Neresheim leuchtet aus der Landschaft heraus.
Die windabgewandte Seite der Wolke (Lee) zeigt wie erwartet die umgekehrte Eigenschaft. Die aufgestiegene Luft muß ja irgendwo auch wieder runter. Die Maschine fällt so stark, daß sich die Zeiger aller Variometer am unteren Anschlag wiederfinden, die Nadel des Höhenmesser bewegt sich sichtbar abwärts.
Also schnell die Wölbklappen auf Schnellflug gestellt und rasch wieder an die Luvseite geflogen. Nochmal Höhe gewinnen, es sind immerhin noch 45 km bis nach Hause - gegen den Wind.
Durch Vergleich der Geschwindigkeiten des Fahrtmessers und der GPS-Anzeige kann der Gegenwind bestimmt werden: ca. 40 km/h! Mit meiner Höhe kein Problem, allerdings komme ich nur langsam voran, obwohl die Geschwindigkeit gegenüber der Luft ca. 100 km/h beträgt. Die anderen Wellen am Messelberg, Geislingen und Wiesensteig hab ich leider nicht mehr erwischt.

Das Phänomen der Welle entsteht, wenn die Luft bei starkem Wind über mehrere Hinternisse (Berge, Hügel) streicht. Dabei kann es passieren, daß sich die Luftströmung vertikal aufschwingt. In diesen Wellen ist es möglich sehr hoch zu steigen, höher als bis zur Wolkenuntergrenze. Daß dies in den Alpen geschieht ist seit langem bekannt (Föhn, Mistral), und es gibt auch Berichte aus dem Schwarzwald.

Dies bei uns zu erleben zählt wohl eher zu den seltenen Ereignissen.
sehr beeindruckt, leider ohne Kamera - Karle